.laissez-faire

Laissez-faire. Ich verspüre kein Partizipationsbedürfnis mehr in dem, was man allgemein Blogosphäre nennt.

Seit knapp einem Jahr schreibe ich nun im Internet in Form eines Blogs. Am Anfang ist alles neu. Man macht jeden Scheiß mit. Zieht irgend etwas durch den Kakao, treibt mit eine Sau durch „Klein-Bloggersdorf“, bejubelt und beklatscht Banalitäten. Irgendwann ertappt man sich bei dem Gefühl, Teil der „Blogosphäre“ zu sein, sein zu wollen. Das kollektive „Bloggeria-Wir“ stachelt einen auf gegen die alten Medien. Man fühlt sich besser, neuer, moderner, subjektiv-objektiver, webzwonulliger. Man will die mediale Zukunft sein.
Einerseits heult man auf, das einem Subjektivität vorgeworfen wird, im selben Atemzug betont man aber wieder, dass man genau darauf stolz ist.

Nach und nach drängt sich dann einem der Verdacht auf, dass der Großteil im Kleinen das ist, was die Medien im Großen sind. Stories werden im Trackbackquergeficke genauso aufgeblasen, wie Medienskandale inszeniert werden. Im Rausch der Informationen, geht die Nachhaltigkeit den Bach runter. Und schon einmal drüber nachgedacht, dass der größte Teil des sogenannten Web 2.0 nicht aus Informationen, sondern aus Verweisen darauf besteht?

Alles ist so beliebig, so austauschbar. Jeder Skandal ist der selbe, nur die Begriffe sind anders. Alles wiederholt sich ständig, wird gelinkt, getrackbackt und kommentiert.
Dann klopft sich der „Wir-sind-Blogger“-Blogger noch auf die Schulter und lobt die mediale virale Wirkung einer vollkommen neuen Technik, deren grandioser Teil er selbst ja auch ist.

In dem ganzen „Blog – Hype-oder-nicht?“-Gequatsche wird immer vergessen, dass Blogs nur die Form sind, genauso wie ein Buch oder ein Film nur den technischen Rahmen für „Möglichkeiten“ bildet.
Blogs an sich sind einen Scheissdreck wert. Ein Blogger ist jemand, der in ein Blog schreibt, mehr nicht. Und über diese Gemeinsamkeit heraus, identifiziere ich mich nicht grundsätzlich mit anderen, nur weil sie auch zufällig Blogger sind.

Ich bin Blogger, wie ich auch Internetbenutzer bin. Für Blogs interessiere ich mich, wie ich mich auch für andere Formen interessiere. Für den Inhalt: Informatives, Musikalisches, Menschliches, Zwischenmenschliches, Kreatives, Künstlerisches, Literarisches und Humorvolles…

Also hört mir bloß auf mit dem verdammten „Ich bin – du bist – wir sind – Blogger“-Gewäsch und emanzipiert euch endlich mal von der Form. Und verkauft nicht die alte Scheiße als neu, nur weil sie im neuen Gewand daherkommt.

12 Kommentare

  1. Nu‘ mal halblang. Es gibt schon die Unterschiede vorher – nachher. Beim Bloggen. Mein Einstieg war politisch, wegen der Orangenen Revolution in der Ukraine. Um wirklich nahe dran zu sein, ohne eben nach Kiew fahren zu können, zu müssen, waren die Blogger live dabei, während Old Media ihre Korrespondenten aus Moskau hinschicken mussten. Kurz gefasst: Randthemen werden die altem Medien nie aufgreifen, weil das der Relevanz widerspricht. Sie werden nie über Slowenien täglich berichten. Siehe Glory of Carniola (ein englischsprachiger Blog aus Slowenien). So einfach ist das.

  2. Bin gerade gereizt, deswegen noch ein paar Beispiele, worüber alte Medien NIE berichten werden: Was geschieht eigentlich in einem Übungsleiterlehrgang, was passiert beim Sistiger Maigeloog, wie arbeitet man in einer koreanischen Kleinstfabrik, welche Probleme hat eine Chinesin, die noch studiert und am Wochenende Englischkurse gibt, warum träumt ein Berufsanfänger aus Wuhan zurück nach Deutschland zu kommen? Was hat er vor einem Jahr in Osnabrück erlebt, die düsterste Zeit in seinem Leben usw.. Das alles erfährt man nur in Blogs, vorher haben einem nur Journalisten erklärt, was wichtig sei und man erfahren darf.

  3. Das ist jetzt interessant. Ich hab vor rund drei Wochen angefangen für mein 1-jähriges Jubiläum mit dem AreaX-Blog einen Beitrag vorzubereiten. In etwa steht das gleiche drin, nur bedeutend weniger direkt.

    Dass sich .markus‘ Beitrag auf die große Masse der Blogs und die meisten „alphas“ bezieht ist augenscheinlich. Es gibt bei den Blogs genauso ausnahmen, wie bei den alten Medien.
    Aber ich bin generell auch dieser Meinung, kann .markus nur beipflichten, aber das habe ich hier im Blog auch schon einige Male verlauten lassen, was ich von „der Blogosphäre im Allgemeinen“ halte.

  4. Du hast Trackbacks deaktiviert? ;-)
    Dann… per Hand

    […]
    *smile*
    Ich denke wir sollten uns exemplarisch statuieren, das Blog verbrennen und aufhören? Einfach aufhören… und wenn wir aufgehört haben, wird unsere Großartigkeit nachgeahmt, wir werden berühmt und Millionen von Blogs werden sich auflösen. In Folge dessen gibt es das “Bloggen” im aktuellen Sinne nicht mehr, das hehre Ziel wird sein, sich im Zenit einfach aufzulösen. Egal in welcher Form, egal in welcher Art und Weise, egal mit/in welchem Medium! Es werden Dinge geboren, vergrößert und verwachsen… nur um sich wieder aufzulösen. Das ist der neue Gott. Die Konsequenz der Andersartigkeit derer selbst die sich feiern. Das ist dann meine Anarchy 2.0
    */smile*
    […]

  5. @Jens-Olaf: Das haben, bevor es Blogs gab, Foren und das Usenet auch schon getan. Und zum Teil wesentlich besser da Informationen mehr zentral gesammelt wurden.
    In Blogs werden Informationen zum größten teil nur repliziert. Und nicht nur Informationen, sondern auch Meinungen und Falschmeldungen.

    Blogs werden meiner bescheidenen Meinung nach zu sehr überschätzt. Es gibt nicht mehr Informationen weil es plötzlich mehr Internetnutzer gibt die Informationen bereit stellen. Das ganze Spielchen hat sich nur aufgebläht, da es nun mehr Webseiten gibt und so der Eindruck entsteht, dass es mehr Informationen bzw. eine breitere Basis an Informationen geben würde.
    Oftmals wird aber von Blog A nur auf Blog B verwiesen. Oder noch drastischer: Es wird auf die alten Medien (SpOn, TAZ, FAZ, usw) verwiesen.
    Die anfängliche Medienrevolution hat sich mittlerweile als Mainstream der Informationsreplikation entpuppt. Es fehlt an Kreativität, neuen Ideen, neuen Informationen und wahrscheinlich auch an neuen Leuten. So wird zum x-ten mal die Abmahngeilheit durchgekaut, Softwareprobleme eines IT-Startups filletiert, Kongresse und Meetings abgehalten, mit alten Geschäftsideen ein neuer Goldrausch los getreten, usw. usf.

    Ich habe vor ein paar Tagen mein Blog gelöscht weil es mich schlichtweg langweilt. Ich habe in den letzten 3.5 Jahren Bloggerei mit Sicherheit nichts anderes im Blog gemacht, wie ich vorher, ohne Blog, auch schon im Internet veranstaltet habe. Nur langweilt es mich mittlerweile nach all den Jahren der Bloggerei Tag ein, Tag aus die gleichen Sprüche, die gleichen Ideen, die gleichen Ansichten, die gleichen Texte, die gleichen Links und immer wieder die gleichen alten Deppen -die man schon tausendmal zur Hölle gewünscht hat- zu lesen/sehen/hören/wahrzunehmen.

    Sich emanzipieren, sich von der Masse lösen, gegen den Mainstream schwimmen kann man nur, indem man etwas Altes beendet und etwas Neues anfängt. Mit der neuen Form kommen hoffentlich auch neue Ideen, neue Inhalte und neue Leute. Und genau das hat mich vor 3.5 Jahren am Bloggen gereizt: Es war der Ausbruch aus dem alltäglich gewordenem, dass einmal etwas unbekanntes war.

  6. @Jens-Olaf: Mein Artikel war bewusst spitzfindig verfasst, und am provokantesten ist da natürlich der Vergleich mit den „alten Medien“, der an sich eigentlich keiner ist.

    Das was du formuliert hast, genau dafür liebe ich (einige) Blogs. Das habe ich auch mit keiner meiner Zeilen angegriffen. Blogs können großartig sein. Aber mal ehrlich, die Motivation dieser „Blogger“ schöpft sich nicht aus dem Bloggerdasein, sondern aus Wahrheitsliebe, Idealismus, Glauben. Sie haben in keinster Weise mit den sich übers Bloggen definierenden Deppen zu tun, die den Mob der Blogosphäre bilden.
    Du fühltst dich angesprochen, was ich gerade in Hinblick auf dein Blog nicht nachvollziehen kann. Wahrscheinlich war die gute alte polemische „Alte gegen neue Medien“-Stolperfalle schuld ;-)

    @Ralf: Schade, dass du aufhörst. War schon zwischen den ganzen Blogs jemand zu finden, der seinen Mund aufgemacht hat, auch wenn ich nicht immer deiner Meinung war. War erfrischend im sonstigen Einheitsbrei der bekannteren Blogger deine polemischen Wutausbrüche heraus zu lesen ;-)

    @Sabre: Du hast mich verstanden :-) Um es genauer zu formulieren: Ich meine keinen einzelnen Blogger, sondern die Blogger-Masse als Masse.

    @Jan: Mit welch poesiehafter Radikalität du diesen Gedankengang konsequent zuende geführt hast! Grandios :-)

  7. Blogs sind eben wie Tagebücher, Ausschnitte aus dem Leben, unzensiert und unverblümt. (Meist zumindest)
    Das bildet vielleicht den unterschied zum Rest der Medien, die sich immer an irgendwelche Standards, Formen und Konformitäten oder Regeln halten müssen.

    Die Presse und die Medien brauchten eben wir schon bei anderen Phänomenen einfach einen Begriff, der alles unter ein Lemma setzt.
    (Nirvana war „Grunge“, alles neue sonst „Alternative“ und alles was einem nichts passt „asozial“)

    Ich muss alerdings sagen, sowie du die Entwicklung des Bloggers beschreibst, genauso fühle ich es. ;)
    Insofern findet man wenigstens hier Gemeinsamkeiten, aufgrund derer wir die Blogospähre wirklich als kleine aber sehr lockere Geminschaft beschrieben könnten.

    Sie exisitiert eben nicht, manche bilden sie sich eben nur ein, aber das reicht doch schon, um auf ein Ergebnis zu kommen. :)

  8. Das bildet vielleicht den unterschied zum Rest der Medien, die sich immer an irgendwelche Standards, Formen und Konformitäten oder Regeln halten müssen.

    Die Blogroll rechts, den Header oben, die Kommentare unterm Artikel. Neueste Beiträge zuerst, ältere sind im Archiv zu finden. Blogs haben keinen Regeln, Formen und Konformitäten?
    Mal von den formalen Regeln an die man sich halten muss abgesehen (Ein Blog ohne Kommentare ist kein Blog! *nöhl*), darfst du in einem Blog auch sprachlich nicht aus der Reihe tanzen. Tust du es trotzdem, bekommst du im besten Fall Unverständnis entgegen geschleudert. In der Regel aber Beschimpfungen und Beleidigungen. Gute Ratschläge und Tipps wie man sein Leben endlich in den Griff bekommt.
    Klar gibt die Form nicht zwingend den Inhalt vor. Aber die Form zieht zwanghaft eine Gesellschaft an, die dir Regeln und Formen vorschreibt. Betreibst du etwas das aussieht wie ein Blog, dann hast du dich auch gefälligst wie ein Blogger zu verhalten. Und dementsprechend sind Wutausbrüche nicht gerne gesehen. Form Follows Function gilt nur für die Design-Branche. Beim Bloggen gilt: Content Follows Form Follows Blogmainstream.

    Will man in seinem Blog etwas anderes schreiben als das was man an allen Blogecken bereits tausend mal lesen kann, braucht man eine dicke Haut, ein noch dickeres Fell und dreimal täglich sehr viel „Oooohm, die Ruhe ist in mir“.

    Aufhören? Ich weiß nicht ob ich aufhöre, wohl eher nicht. Aber ich suche nach einer anderen Form. Eine die mich nicht in die Zwangsjacke des Mainstreams packt, in der ich mich verbiegen muss um auch bequem rein zu passen.

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