Promenade

„Kannst du fliegen?“
„Hab es noch nie versucht“, sagte ich lässig. Ich verschwieg einen verstauchten Knöchel, den ich mir beim Versuch und dem damit verbundenen, zwangsläufigen Werkzeugschuppen-Absturz zugezogen hatte. Die Schwerkraft ist ein grausamer Gegner.
„Die Sehnsucht ist der vertrocknete Same der Hoffnung“. Franz popelte nachdenklich in der Nase. Einer dieser Sätze die tiefsinnig zu sein meinen, aber wenn man ihnen auf den Grund geht, findet man ganz unten am Boden nur ein kleines Etwas vor, das einen fröhlich ankichert.
Ich richtete meinen Blick in den Himmel, träumte vom Fliegen. Man schaut viel zu selten nach oben, man vergisst es einfach. Auch, dass der Himmel jeden Tag neu und anders gemalt ist.
„Würde die Automobilindustrie auch nicht mitmachen“.
„Bei was?“
„Personenluftverkehr. Da fährt doch keiner mehr Auto!“ Franz verfolgte gewisse Gedankengänge mit einer beängstigenden Konsequenz.
„Ne, das würde auf der Aktionärs-Hauptversammlung bei Mercedes-Benz ein schönes Hallo geben.“
Die Sonne senkte sich ins Wasser. Ein Sonnenuntergang ist übrigens nicht kitschig, Fotos von Sonnenuntergängen sind es und wer Postkarten von Sonnenuntergängen verkauft ist ein blöder Kitschgewinnler.
„Die Krise. Und überhaupt…“ Ich stellte den Satz in einen imaginären Raum. Er hing da etwas unsicher rum. Da keiner mit ihm sprechen wollte, verabschiedete er sich auch schnell wieder.
„Willste ’nen Eis?“
„Wassermelone – Zitrone – Himbeere“.
„Geht klar. Mit Sahne?“
„Aber bitte!“
Wir schlotzen uns selig in die Nacht. Isabell, die Eisverkäuferin setzte sich zu uns.
„Ciao Isabella, come va?“
„Halt die Klappe Franz“. Isabell verdrehte genervt die Augen. Ihr griechischer Chef stellte nur Schwarzhaarige ein, die mit einem kleinen Vokabel-Heft zu Berufsitalienerinnen geschult wurden. Da legt man sich verständlicherweise schnell eine gewisse Aversion zu.
„Kippe?“ Ich hielt meine Schachtel in die Runde. Isabell nahm eine.
„Danke nein. Ich rauche nicht, ich huste nur“, meinte Franz.
Isabell und eine Sommernacht. Sie war ein Mädchen, in das man sich jeden Abend neu verliebte. Sie saß da, blies kleine Ringe in die Nachtluft und ließ ihre Schönheit einfach mal so schweigend wirken.
Franz dachte nach, was sich immer deutlich in seinem Gesicht abzeichnete. Ein faszinierender Prozess. Denke halt eher so physisch, sagte er mal zu mir. Seine Züge erhellten sich.
„Könnte klappen!“
„Was?“
„Flugsicherheitsanzüge, kurz FluSiAn. Mercedes könnte sich vollkommen neu auf dem Markt positionieren“.
„Um was geht’s,“ fragte Isabell.
„Fliegen, was sonst?!“ Franz empörte sich.
„Geht nicht. Die Schwerkraft“, schlussfolgerte sie traurig.
„Ja, aber abgesehen davon…“. Franz wollte sich seine Idee nicht so schnell entreißen lassen. Opfer der Realitäter ist immer die Phantasie.
„Ja, es wäre schon schön“. Sie seufzte.

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