Ich, Krieg, Die Motten

Unsere Kompanie kam kurz vor der Stadt zum Stehen. Jens pinkelte gegen die Stadtmauer, ich ploppte einen perfekten 180er Korken mit der Bügelbierflasche. Seit unserer letzten Schlacht im Sommer hatten wir nicht mehr so viel Spaß gehabt.
„Präsentiert das Gewehr!“ Brüllte ich und vier Bügelbierflaschenarme salutierten. Die Jungs waren auf Zack, standen stramm, wie der Pimmel eines Pubertierenden bei der Inspektion eines Unterwäschekataloges.
„Kameraden… „, ich nutzte die rhetorische Pause für einen kräftigen Schluck. „Attacke!“ Wir schlenderten zum Angriff über, sangen fröhliche Lieder und marschierten tapfer gen (Sonnen-)Untergang. Ein verwahrloster Sauhaufen auf dem Schlachtfeld des Lasters und der Verderbnis.
„Ich bin doch kein Pazifist“, nörgelte der Junge Fritz von der Reserve, gerade als Kutscher abkommandiert. „Schnauze“, rief Jens heiter, „Passivaktivisten sind das Rückgrat eines erfolgreichen Feldzugs“.
Der Vormarsch kam ins Stocken. Basisdemokratische Ansätze spalteten unsere Truppe. In der Feldküche hielten wir Kriegsrat und versorgten uns mit belegter italienischer Teigware.
„Frontal angreifen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“, lallte Schlapphut, der nach einer Breitseite schon Schlagseite hatte.
„Wir gehen über die Flanken und machen einen Überraschungsangriff „. Jans latent gedrückte Stimmung hatte sich nach einem Latrinenbesuch erheblich gebessert.
„Beim Dionysus“, rief ich ekstatisch. „Wir werden siegen“.
„Wer ist denn der Feind?“ Der Junge Fritz verschluckte sich fast bei dem Versuch zwei Stück heiße Pizza gleichzeitig zu essen. Ich überhörte die Frage großzügig, die Kampfmoral der Truppe sollte nicht unter Banalitäten leiden.
Wir stürmten gemächlich die Promenade und begaben uns in gemütliche Stellung am Seeufer. Der Widerstand war weit weniger heftig als erwartet – keiner. Jens inspizierte den Flüssigproviant, Schlapphut erleichtert das Gebüsch. In der Ferne patroullierte die Grüne Garde, um die Straßenlaterne Motten und Nachtfalter.
„Was seid ihr für Waschlappen“. Jan reckte siegessicher seine Bügelbierflasche in den Nachthimmel. Doch per Funk erhielt er einen neuen Marschbefehl. Er musste zum Weib nach Hause. „Tut mir leid Jungs, ihr müsst die Stellung ohne mich halten“.
„Wir geben nicht auf“. Jens klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Wir gingen der Flasche auf den Grund.
Schlapphut schleppte sich schweren Fußes aus dem Gebüsch. „Ich gebe mich geschlagen“, krächzte er resigniert.
„Einer geht noch“, meinte der Junge Fritz lakonisch.
„Halt’s Maul Kutscher, bring ihn hinter die feindlichen Linien. Verdammte Gurkentruppe, Flaschen, treulose Nachtschattengewächse“, fluchte ich aufgebracht.
Der Junge Fritz stützte den schwer angeschlagenen Schlapphut auf dem Weg zur Kutsche.
„Jens“, sagte ich.
„Ja“, sagte Jens.
„Blas den Zapfenstreich.“
„Ist das ein Befehl?“
„Nein“, sagte ich müde. „Der Krieg ist vorbei. Gehen wir nach Hause“.

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