You Have To Show Them That You’re Really Not Scared
You’re Playin‘ With Your Life, This Ain’t No Truth Or Dare
They’ll Kick You, Then They Beat You,
Then They’ll Tell You It’s Fair
So Beat It, But You Wanna Be BadMichael Jackson – Beat It
Das Schicksal hat einen seltsamen Sinn für Humor, oder nennt man gar die seltsamen Zufälle – Schicksal? Der Soundtrack griff jedenfalls den Film des Abends vor, um ihn mit tragisch-komischer Ironie zu unterstreichen, während wir noch im Café saßen, beschwingt und beschwipst ein paar Takte mitsangen und nichts ahnten – wie auch?
Freitag, schon spät in der Nacht – oder früh am nächsten Morgen – saßen wir zu fünft an der Seepromenade der Kleinstadt und tranken im fahlen Licht der Straßenlaternen Brauereierzeugnisse, Herr Punkt Markus hingegen nippte an seinem hyperimperialistischen nordamerikanischen Koffeingesöff aus der Dose (voll retro!). Auf dem Lande ist ja ein Führerschein nicht optional, sondern obligatorisch und der Fahrer wird immer durch Streichholzziehen ausgelost (naja, im übertragenen Sinne halt).
An der Promenade wurde es immer ruhiger und auch die sonst so omnipräsente Polizei schien sich auf einer größeren Streife zu befinden.
Trotz Gruppenträgheit und Unentschlossenheit befanden wir fünf schließlich, dass es an der Zeit wäre sich Richtung Heimstatt und Bett zu begeben, weil spät, müde und kalt. Herr Punkt Markus begann noch sich eine letzte Zigarette zu drehen, als ein junger Mann sich auf uns zu bewegte. Vielleicht wollte er eine Zigarette, vielleicht auch Hasch ver/kaufen, dachte sich Herr Punkt Markus, wenn er denn überhaupt was dachte, schließlich ist das ein freies Land und Menschen können sich auch einfach mal auf einen zu bewegen, wenn sie dass so wollen, ohne dass sich der Sitzende etwas denken muss. Herr Punkt Markus wandte sich wieder seiner Zigarette zu, schließlich fordert Fingerfertigkeit auch das Auge.
Aus heiterem Himmel drehte der Typ vollkommen durch und sprang mit allen Vieren und einer unfassbaren Brutalität den sitzenden M. an, ohne den geringsten Grund haben zu können, wir hatten ja nicht mal Zeit, ihn schief anzuschauen.
In dem kurzen (Uhr) langen (Gefühl, danach) Augenblick in dem wir Vier noch perplex dasaßen, reagierte T. geistesgegenwärtig und zog den Tollwütigen von M. weg und dessen Aufmerksamkeit auf sich. Flaschen splitterten und alles ging sehr schnell. Während T. den betrunkenen Tobsüchtigen in Schach hielt, kamen aus der Seitenstraße zwei weitere Männer angerannt. Herr Punkt Markus war gerade dabei sich und seine, im ernsten Kampf noch jungfräulichen, Fäuste bereit zu machen, als zum Glück aller Beteiligten, die Beiden ihren Kumpel festhielten und auf Russisch auf ihn einbrüllten. Um was es ging, konnte Herr Punkt Markus nicht verstehen, denn sein weniges Schulrussisch ist dann doch schon vollkommen einoxidiert.
Nun denn. Während der Besoffene ein paar Meter weiter mit seinem Freund diskutierte, redeten wir mit dem anderen freundlichen Helfer, der dann plötzlich auch nicht mehr ganz so freundlich war. Die Frage, ob denn alles „ok“ wäre, konnten wir ja noch so einigermaßen bejahen, M. hatte außer einem schmerzenden Kiefer und blauen Flecken zum Glück nichts abbekommen. Als wir jedoch fragten, was denn überhaupt los sei und wie wir zu der Ehre des tätlichen Übergriffes gekommen wären, wurde der Typ pampig und fragte ob wir ein Problem hätten. Vernünftigerweise (aber nicht selbstverständlich) verzichtete M. auf einen (verbalen) Schlagabtausch, wir auch. Gut, denn auch wenn wir jünger waren, gegen diese Drei hätten wir wahrscheinlich alt ausgesehen. Körperlich zwar (handwerkgestählte Muskeln!) durchaus fit, aber die Hemmschwelle im Kopf, dieser elendige Pazifismus. Jungs wie wir können einfach nicht vernünftig zuschlagen (und müssen das hoffentlich nie lernen!). Diese Jungs hören erst auf zu schlagen, wenn sie dem Anderen oder sich selbst etwas gebrochen haben. Und Messer sind da ja auch weit verbreitet, Jungs wie wir hatten ja nur Schweizer Messer zum Schnitzen, was aber schon sehr lange her ist.
Wir erfuhren noch ein paar Mal, dass er Russe ist „Ich bin Russe“ und dass es seine Stadt wäre „und das ist meine Stadt„. Mit dem Ersten hatte er sicher nicht unrecht, mit Zweitem leider auch nicht ganz, wird doch die Nachtruhe, die Nasen und das Betäubungsmittelgesetz ständig von Leuten wie ihm gebrochen. Schließlich zogen sie ab, der nichtmehrganzsoarg -Rasende immer noch laut fluchend, hatten ihm seine Freunde ja auch unverschämterweise seine Abendfreude verdorben…
(Bildquelle Eins: Webcam)
Mir ist mal etwas so gut wie identisches passiert. Wir waren freudig gestimmt und wollten einen Geburtstag im Club feiern. Kurz bevor wir ankamen, Gebrüll vor dem Nachbarhaus, ebenfalls eine Feierbude. Ein Türsteher schmiss zwei völlig verstrahlter Koksopfer aus dem Etablissement. Ohne Grund tickte der eine aus, pfefferte meinem Kumpel ohne Vorwarnung eine (Diagnose später: Jochbeinbruch, hat heute ’ne Platte im Schädel) und mir ebenfalls (nur blaues Auge). Schock, schlagartig nüchtern, mit den Bullen die Typen verfolgt, den Rest der Nacht im – sowieso tollen – Krankenhaus am Friedrichshain verpasst, die Nacht und der darauffolgende Tag völlig versaut. Noch was? Ach ja, es war mein Geburtstag.
Ich kann also durchaus nachvollziehen, wie’s dir geht.
Shit! Gewalt ist sicher keine Lösung, aber in so einer Situation möchte man den Aggressor einfach nur (einmal, aber richtig zurück-)schlagen. Oder intelligent mitspielen, falls das noch möglich ist.
Hammer, das ist ja noch richtig glimpflich ausgegangen. Ich bin heilfroh noch nie in so einer Lage gewesen zu sein.
Allerdings ging es mal einem Kumpel ähnlich. Er lief in aller Ruhe mit zwei weiteren Freunden über den Marktplatz, kamen zwei Typen auf die 3 zu. Der erste Schlag nockte meinen Kumpel aus, die anderen beiden waren zu jung um sich effektiv wehren zu können. Das war allerdings auch ein glatter Raub und kein vollbetrunkener Russe mit Ausfallerscheinungen.
…those where the days my friend
those days will never end
Solange Menschen sich gezwungen sehen ihre Heimat zu verlassen, solange Menschen mit Gewalt aufwachsen und diesen als normalen Gegenstand des alltäglichen Lebens akzeptieren, wird es wohl noch viele solcher Amuesemants geben.
Gutgehenlassen