.meine kleine bäckerin

Wenn die Welt morgen untergeht, kann man sich sicher sein, die Ersten, die übermorgen früh wieder aufstehen, sind die Bäcker. Die wahren Helden schnitzt der Alltag und warme Semmeln gehen immer.
Nun, so denkt man nicht, wenn man morgens um 4:00 Uhr aufsteht. Gedanken sind da tiefste Bettsehnsucht, sagt sie mir, meine kleine Bäckerin. Sie ist eine – ebenfalls – kleine Heldin, denn Sonntagsbrötchen sind leider nicht der Stoff für eine verzückte Ode über mehr als zwei Zeilen.
„Dafür sehe ich jeden Morgen, wie die Sonne aufgeht“, sagt sie und die braunen Augen lächeln hinter müden Ringen. Ich sag „einen Kaffee, bitte“, obwohl ich den Kaffee nicht mag, aber ich mag sie und der Kopf, darauf einigten sich die Beiden, ist dem Herz immer unterlegen.
„Danke“, sage ich tonfälligst auf der Grenze balancierend, zwischen ausgesuchter Höflichkeit und ungeschickter Annäherung. Mein Lächeln versteckt sich hinter einem Lächeln. Meine kleine Bäckerin lächelt auch und holt frische Brötchen aus dem Ofen.
Die Frage, ob sie mit mir mal einen richtigen Kaffee trinken geht, schlucke ich zusammen mit dem braunen Zuckersahnewasser runter.
In Italien vielleicht, da machen sie richtigen Kaffee – dafür können sie keine Brötchen backen. Bei diesen Umständen muss ich wohl die kulinarische Globalisierung voll und ganz befürworten. Abends dann ein schwerer französischer Wein. Ja, doch – meine kleine Bäckerin hat ein Weinglasgesicht und das haben nicht viele, denn es ist schwer hinter einem Weinglas weder affektiert nocht vertrottelt auszusehen.
Ein weitere Kunde betritt die Bäckerei. Wir einigen uns recht schnell darauf, dass der Morgen gut und das Wetter schön ist, simultan schütteln wir beim Anblick des heutigen BILD-Aufmachers die Köpfe. Er bestellt sich zwei Butterbrezeln und ein Kaffee, zum Mitnehmen – liegen lässt er seine Geldbörse, aus der unverschämt ein paar grüne Geldscheinränder blitzen. Ich werfe meiner kleinen Bäckerin einen jetzt-oder-nie-wir-beide-und-das-Meer-Blick zu, sie fängt ihn auf und die Welt scheint still zu stehen, doch dann dreht sie sich wieder weiter und ich brülle dem Kunden ein „Entschuldigung, Sie…“ hinterher, er kommt zurück und er nimmt unseren kleinen Italienurlaub von der Theke weg.
Zwischen meiner kleinen Bäckerin, mir und uns steht nur eine Brötchen-Theke und ein großer Berg antiquierter Gesellschaftskonventionen, sonst würde ich sie auf der Stelle küssen.
Sie ist eine kleine Heldin, ich nicht.
Ich verstecke mich hinter einem Kaffee, den ich nicht mag und träume von gemeinsamen Sonnenaufgängen…

19 Kommentare

  1. Wenn ich jetzt 25.000 Unterschriften sammeln gehe, also praktisch ein Volksbegehren initiiere, mit dem Ziel, noch einmal mutig Brötchen kaufen zu gehen…?

  2. … dann bräuchtest Du nur noch 24.998 Unterschriften, Rob (wenn Du selbst auch unterschreibst natürlich…), ich wäre dabei.

    Großartiger Text! Und ein netter potentieller Kurzfilm… :)

  3. Ich habe ja schon unterschrieben – man will ja keinem jungen Glück im Wege stehen, oder?

    Also, wo bleiben die anderen 24.997 Unterschriften (meine Nachbarin hat zwischenzeitlich auch schon unterschrieben) … ?

  4. Ach, jetzt wünschte ich auch die Geschichte wäre wahr.
    Ist sie leider nicht, auch wenn ich durchaus Quellen der Inspiration habe und gewisse autobiografische Charakterzüge verwendet wurden ;)

    @oasisUK: CC-Lizenz. Am Drehbuch schreibe ich aber gerne mit ;)

  5. Oh ich merke lese, die Volksseele kocht – ja,ja, mit „Kleinen Bäckerin“ Geschichten spaßt man nicht (bekannter Glückskekstext)Herr „.“

    ;-)

  6. Die Einordnung in die Kategorie „.geschrieben“ sollte eigentlich verdeutlichen, dass es eine „geschriebene“ Geschichte ist, aber ich merke gerade, dass selbst ich Probleme mit meinen Kategorien und der Einordnung eines Beitrags habe, höhö. Wenns man wieder 3 Tage regnet, werde ich mal alles neu katalogisieren ;-)

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