Koffer der Konjunktive

Zwei Salate vor und eine gewisse Zeit hinter uns, sitzen wir heute in einem Café. Zehn Meter weiter endet die Promenade. Sie fällt mit einer Mauer ab. Dort beginnt das Wasser des Bodensees.

Hilfe! Ruft jemand einen Krankenwagen! Sofort! Den Notruf! Hilfe!„, hören wir einen Mann schreien. Wir, Mitgäste und Promenadenbewohner drehen uns um.

Hilfe! Sofort jemand einen Notarzt! Krankenwagen! Hilfe!

Hinter den Beeten, unten an der Ufermauer liegen Boote. Von dort schreit der Mann. Es klingt mehr empört, als verzweifelt. Die ersten Passanten sind vor Ort. Ein Mann hat das Handy am Ohr. Die zweite Reihe füllt sich mit Passanten.
Wir schauen uns an. Wie das im Leben und in solchen Situationen ist. Da klappt er auf, der Koffer der Konjunktive. Was wäre wenn? Wenn man den Ersthelfer-Kurs doch gemacht hätte. Wenn man doch schon aufgestanden wäre. Wenn man doch Blut sehen könnte. Verlegenheit macht keine Helden. Gelegenheiten schon.

Weitere Menschen eilen hin und her. Was meine Begleitung denkt, weiß ich nicht. Als Fachmann artikulierter Hilfeschreie vermute ich mindestens einen Herzinfarkt, zwei mittelschwere Beinbrüche oder eine stichhaltige Wespenallergie. Gar doch was ab – also was dran an der Hai-Geschichte im Bodensee? In meiner Vorstellung liegt eine Frau bewusstlos im Boot. Der Mann schreit um Hilfe. Ja mein Gott, verdammt! Warum hilft ihm denn keiner? Warum sind wir noch nicht aufgestanden?

Sofort einen Krankenwagen! Den Notruf„, hört man es weiter von den Booten und zwischen den lose rumstehenden und feste schauenden Passanten bricht der Mann empor, hält mit der einen Hand die andere und beide widerum von sich gestreckt. Er eilt zum Café, weiter brüllend und ehe er verschwindet hören wir:

Sofort einen Krankenwagen! Meine Fingerkuppe ist ab!„.

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