.kaschmir

Haben Sie gewusst, werter Besucher, das ich einmal auf dem selben Hausboot am Lake Dal in Srinagar (Kaschmir) nächtigte, wie dereinst Mick Jagger von den Rolling Stones.

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Aber das allein ist noch keine Geschichte….

Auf unser 2-monatigen Indien-Reise hatten wir eigentlich nicht geplant, einen Abstecher nach Kaschmir zu machen, aber es kam doch anders.

So saßen wir also im Bus, der uns innerhalb 26 Stunden (!) von New Delhi in die Hauptstadt von Kaschmir, nach Srinagar bringen sollte.
26 Stunden indische Straßenverhältnisse.
26 Stunden indischer Busfahrer.
26 Stunden auf einem Sitz, der kaputt war und immer nach vorne rutschte.
26 Stunden Höllenritt.

Wir wussten überhaupt nichts von Kaschmir.
Klar ab und zu hörte man etwas von einem Anschlag, von bewaffneten Terrorristen und dass sie vor dem Konflikt Bollywood-Filme in der 34-02-House boat-19traumhaften Landschaft gedreht hatten. Keine Ahnung, aber wir waren mittendrin.

Zuerst fiel uns die ungeheure Militärpräsenz auf, als wir mit ungeheurem Tempo über die Bergpässe rasten. Jede 50 Meter schwer bewaffnete Straßenposten. Allenthalben Stacheldraht, Bunker, Kasernen und Sandsacke-Geschütztürme.
Trotzdem war alles recht friedlich.

Um 5 Uhr morgens an der Grenze, die für uns nur ein weiterer Stacheldraht-Posten zu sein schien, stoppte der Busfahrer und drängte die wenigen Europäer schnell auszusteigen.
Im Laufschritt wurden wir zu einer kleinen Steinhütte gebracht, wo wir uns zu acht reinzwängen mussten, um die Einreisepapiere auszufüllen. Alles wurde im Befehlston gebrüllt, die eingesammelten Reisepässe kamen in den Händen der Grenzsoldaten völlig durcheinander, was das Chaos noch größer machte.

Where is Switzerland„, brüllte einer wiederholt durch den Raum, während ich all meine Gebärdenkentnisse aufwenden musste um dem Soldaten, der sich mir angenommen hatte, klar zu machen, dass ich den Zettel alleine ausfüllen konnte.

Where is Switzerland„, brüllte der Soldat weiter, während der Belgier, der kein Wort Englisch konnte, versuchte seinen Pass wiederzubekommen.

Irgendwann Stunden später, als wir auf unserem Houseboat angekommen34-02-House boat-06 waren, schlug ich den „Lonely Planet“ auf und las, dass seit 1991 über 40.000 Menschen durch Anschläge oder Schießereien ums Leben gekommen waren. Das machte uns dann doch etwas nachdenklich.

Nachts Schüsse zu hören, machte noch nachdenklicher.

Egal, Angst vor Anschlägen hatte ich noch nie, auch wenn wir an Orten waren, an denen es 1-2 Tage vorher oder später Anschläge gab. Eigentlich bin ich eher der vorsichtige Typ, aber Terrorangst finde ich irrational. Wenn so etwas passiert, kann man es eh nicht verhindern.
Ein bisschen scheint man die dortige Lebenseinstellung zu übernehmen.

Die Woche dort war jedenfalls traumhaft…

Bei der Rückfahrt wurden wir an der Grenze höflich gebeten aus dem Bus auszusteigen. Ein freundlicher Offizier bat uns sich neben ihn auf die Bank zu setzen und wir plauderten gemütlich während wir die Papiere ausfüllten.

5 Kommentare

  1. Ich glaube trotz aller Negativeindrücke dürfte Indien trotzdem mein nächstes Reiseziel sein, wenn ich wieder zu Geld kommte ;-)

    Interessant finde ich, dass man über die Medien nicht mitbekommt, wie es in Nordindien abgeht. Man hört immer nur über die Attentate im Irak, Afganistan usw. Das ist wahrscheinlich der gleiche Effekt, wie bei den Flugzeugabstürzen. Sobald einmal deutsche dabei umkommen – es uns also betrifft – wird auf einmal über jeden Absturz auf der ganzen Welt berichtet, zumindest für die nächsten 3 Wochen.
    Aber Attentate in Kashmere – das betrifft uns doch nicht, oder?

  2. Nein, da kommen bloß indische Touristen (in Kashmir) und Zivilisten um. Das ist hier nicht der Rede wert. Aber diese Art der Nachrichtenrelevanz ist eine Sache, mit der ich mich irgendwie längst abgefunden habe.

  3. Bin mal mit dem Rad durch („über“) Kaschmir gefahren – das hat Jagger vermutlich nicht getan. Dafür habe ich aber schon mal im selben Raum geschlafen wie Rilke.

    Außerdem müssten wir mit alle mit jedem einzelnen Atemzug ein paar Moleküle inhalieren, die jeder nur reichlich lang Verstorbene ebenfalls schon im Maul hatte – igitt!

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