Mit meiner wunderschönen Begleitung schlenderte ich jüngst durch Köln. Als Landkind bin ich immer ganz entrückt und bekomme große Augen, wenn ich einmal meine kleine grüne Welt verlasse. Da prasseln Eindrücke wie ein Frühlingsregenguß in mein kleines Landherz und begierig sauge ich sie auf, wie ein einsamer Barheld die wasserwerdenden Eiswürfel seines Caipirinhas. In meiner Verzückung wurde ich eines Ladenschildes gewahr, dass ich meiner Tarnung als Weltbürger wegen nicht fotografieren wollte.
„Änderungs-Atelier – Damen & Herren“.
Ich bin nun mal so, das muss erklärt werden, schon als kleines Kind mit einer Phantasie gesegnet worden, die kein „Ne ne, lass mal gut sein“ kennt, sondern die, wie ein in Bewegung gesetzter 100-Meter-Güterzug, erstmal ihren Lauf hat.
„Der passt mir leider nicht“, trat eine mittelalte Dame in meinem Kopf auf, die ihren Mann Günther neben der funierten Sperrholz-Theke abstellte.
Günther glotzte wie ein Rind.
„Können Sie ihn bitte etwas an den Armen und Beinen kürzen. Ja? Ich hole ihn dann morgen wieder ab.“
„Bis morgen, Günther“, fügte sie streng und nur beiläufig liebevoll hinzu.
Begeistert war ich hier auch von dem pragmatischen Einsatz der Sprache. Änderungs-Atelier – Damen & Herren. Damit ist alles gesagt.
Während andere Rosenwörter aus Blumengedichten pflücken und an ihr Herz drücken, gehe ich durch Straßen und Anzeigen in Gemeindeblättern und erfreue mich am Charme der deutschen Handwerks- und Gewerbesprache. Man muss sich nur diese komischen Männchen im Blaumann in deren Logos wegdenken, die in Handwerkswerber-Seminaren noch als pfiffig verkauft werden.
Fliesen & Bodenlegermeisterbetrieb las ich heute auf einem Lieferwagen in dem ein kerniger Bodenlegermeister saß und – äh – einen Lieferwagen fuhr. Was das Bauhaus für die Architektur, ist das Deutsche Handwerk für die funktionale Poesie. Wörter wie Flachpressplatte, Dünnbettmörtel und Sparrenpfettenanker riechen nach tannenharzigem Sägemehl, nach nassem Betonkies und schaffen solide Kopfbilder mit Qualitätssiegel made in Germany.
Doch manchmal wird dieser sprachliche Pragmatismus selbst mir zu weit getrieben. Wenn man so über die Autobahnen rauscht, bekommt man schnell den Eindruck, Deutschland bestünde aus Leitplanken, grünen Hecken und Fahrzeugführern der Autoschule Arschloch. Doch wir, das „Land der Dichter und Denker“ halten unsere alte Kultur hoch, wie ein Ertrinkender das Schild „Kann nicht mehr schwimmen“. Den gleichsam pfiffigen Köpfen von Kulturamtsverwaltern entsprangen dann wohl diese braunen Schilder auf der Autobahn, die vom kulturellen Geiste der Städte künden soll, die man so rechts und links hinter sich lässt.
„Besigheim – Fachwerk & Wein“ steht da an der Autobahn und lässt erahnen, welche Verzweiflung sich im Bürgermeisteramt breit gemacht haben könnte, als der bundesdeutsche Abgeordnete für braune Autobahnkulturschilder höchstpersönlich in Besigheim abstieg und „Kopfsteinpflaster & Bäume“ wegen Überlänge gestrichen werden musste.
Meine wunderschöne Begleitung, die hier eher von mir begleitet wurde, konnte meiner Begeisterung über das Änderungs-Atelier übrigens nur wohlwollend folgen. Ein Glück, dass dieses Atelier feiertagsbedingt geschlossen hatte, sonst wäre ich wohl mit Zettel um den Hals abgegeben worden. „Bitte um 2 cm Phantasie kürzen“.
Gruselig, schon 3 Kommentare und keiner davon „echt“.
Ja, wirklich gruselig. Einen habe ich mal gelöscht. topsy.com? Örks!
ich machte kürzlich – zu ostern wird es gewesen sein- eine spreefahrt: der kapitän wies mehrmals auf das „umfangreiche restaurierungsangebot“ an bord seines schiffes hin.
@Sebastian + Markus: Einerseits gruslig, andererseits hätte man früher (in den guten alten Bloggerzeiten, so vor drei Jahren) so eine Sprachperle zwar kommentiert, aber nur *vielleicht* verlinkt, wenn’s gerade passte. Heute twittert man den Link mal schnell samt Kommentar. Das ist nicht soooo schlecht. Dennoch: Die alte Blogverlink- und Kommentarkultur ist leider ziemlich am Arsch.
Wenn’s recht ist, twittere ich das obige trotzdem.
Änderungs-Atelier ist also mehr oder weniger eine Schönheitsklinik.
Ja-ja solche Gedanken kenne ich auch:
z.B. las ich neulich im Vorüberfahren an der Scheibe eines Friseurs:
Damen, waschen und schneiden 20 €. Das stelle ich mir dann lieber nicht bildlich vor…. :-)