Ein weites Feld

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Foto (cc)

Es war einmal ein kleiner Bauernjunge – Ich. Das soll hier vieles er- und manches verklären. Man wächst schließlich nicht einfach so auf einem Bauernhof auf, ohne dass da etwas hängen bleibt. Etwa der latente Wunsch, mit einem Dreschflegel in die aktuellen Agrardebatten einzusteigen.
Ganz recht, ich bin ein Landei. Allerdings nicht aus einer industrialisierten Legebatterie, sondern Demeter, mit biologisch-dynamischer Freilandhaltung, auch geistig. Mein kindliches Ich schwelgt immer noch in romantischen Erinnerungen an die Zeit mit Menschen, Tieren und Natur. Damals war Bio der gewagte Vorstoß einiger „Spinner“ zur Rückbesinnung auf nachhaltige, umweltfreundliche und ökologische Vorstellungen in der Landwirtschaft. Heute ist „Bio“ ein Trend, ein EU-Gütesiegel, das immerhin die Produktion auf minimalem biologischen Niveau garantiert. Doch nicht alles was Bio ist, glänzt – Bio-Äpfel aus Neuseeland im Discounter etwa. Haha! Bei dieser hysterischen Biologisierung unserer Nahrungsmittel ist es verständlich, wenn man konterrevolutioniert. Dumm ist jedoch die Schadenfreude, wenn ein Bericht oder Test ein einzelnes Bioprodukt als schädlich entlarvt und alle zeigen mit dem Finger drauf und sagen: Haha. Wusste ichs doch. Ökospinner! Fortschritts-Loser!
Die Landwirtschaft steht heute mehr denn je am Scheideweg. Dieser Satz ist weder ein rhetorisch aufgeladenes Bedeutungsgewicht, noch visionär, sondern schlichte Wahrheit. Vom Ausmaß und Auswirkungen der Veränderungen in der Agrikultur macht man sich keine Vorstellung – ja, man kann sich keine Vorstellungen mehr davon machen, da wir inzwischen vom Erzeugungsprozess vollkommen entfremdet sind. Das wäre nicht weiter schlimm, man kann auch in Ruhe Milch trinken, ohne zu wissen, wie gemolken wird. Katastrophale Entwicklungen, getarnt unter dem leuchtenden Banner des Fortschritts und der Globalisierung, sollten aber mal ein allgemeines Bewusstsein schaffen. Liebe Blogger, hört mal für einen Tag auf, Google und Schäuble auf die Finger klopfen und widmet euch wirklich wichtigen Dingen.

Die Gentechnik wird von der einen Seite gerne als die Lösung all unserer Nahrungsmittelprobleme verkauft, von der anderen Seite dagegen scharf wegen unabwägbarer gesundheitlicher Risiken verurteilt. Ob sich die Gentechnik gesundheitlich auf uns auswirkt, ist nicht belegt, spielt aber keine Rolle, wenn man ihren Stellenwert in der globalisierten Agrikultur betrachtet. Per se ist sie nicht schlecht oder gut, kann aber in den falschen Händen jede andere Form der Landwirtschaft zerstören, so wie es gerade auch zu geschehen droht. Multinationale Agrarkonzerne wie Monsanto monopolisieren mit Patenten und nicht fortpflanzungsfähigem Saatgut den Vertrieb. Die Bauern werden Schritt für Schritt in die Abhängigkeit getrieben, die Sortenvielfalt und die freie Nutzung verschwindet.
Es ist ein perverses System, dass in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde und dessen globale Auswirkungen kaum noch aufzuhalten sind. Die – im Verhältnis zur Bedeutung des Essens – spottbilligen Lebensmittelpreise, sind das Ergebnis einer subventionierten westlichen Nahrungsmittelindustrie, die das System auf Kosten der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern am Laufen hält. Freie Marktwirtschaft und Freihandelszonen sind euphemistische Begriffe für das staatlich unkontrollierte, teilweise sogar geförderte Ausbeuten armer Länder und die Zerstörung deren Agrikulturen. Ein Beispiel dafür ist „die amerikanische Saat der Demokratie“ im Irak.
Der Deckmantel und Sympathieträger der Genfood-Industrie ist der scheinbar fantastisch verbesserte Ertrag. Gemessen am minimalen Arbeitsaufwand, bei größtmöglicher Ernte pro Quadratmeter Feld, mag das durchaus zutreffen. Und bis hierhin gehen auch bloß die Hoffnungen derer, die sich eine Ernährung der ganzen Welt mit Hilfe von Gentechnik erträumen. Aber es geht noch weiter. Die Lebensmittelmenge – global betrachtet – wäre noch nie ein Problem für Unterernährung gewesen. Wenn man jedoch die regionalen Landwirtschaftskreisläufe zerstört und die Ernährung durch künstliche, preisteigernde Verknappung, Profitgier und Börsenspekulationen vom Grundrecht zur Geldfrage degradiert, treten die Erscheinungen auf, die wir heute sehen. Eine gesunde, nachhaltige, regional oder staatlich autarke Landwirtschaft, würde das Verhungern der Menschen nicht von der Profitmaximierung der Unternehmen abhängig machen. Die indirekte Ernährung des Menschen durch die Landwirtschaft, in vielen Ländern immer noch der wichtigste Erwerbszweig, fällt weg und wird industrialisiert. Modern ja, ertragsreich, klasse – doch nur wir und unsere Konzerne profitieren davon.

Es ist ein weites Feld.
Ich empfehle allen wärmstens, nein dringlich, sich diesen Film anzuschauen „We feed the world “ (Google-Video).

3 Kommentare

  1. Ach, wie wohl ist mir am Morgen! Nicht wegen des hier angerissenen Horrorszenarios, sondern weil es – auch sprachlich liebevoll gepflegt wie das heimische Nachtschattengewächs – überhaupt darauf verweist: was wir alles hinzunehmen bereit sind, wir die Verpackung Suchmaschine et cetera wichtiger nehmen als die (verdorbenen und verderbten und bald verfaulten) Inhalte. Herzhaft und mit Freude beiße ich also – nein, nicht in den (sicherlich wohlschmeckenden) Bodensee-Apfel, sondern in den aus der jeweiligen Region, in der ich mich jeweils aufhalte; genauer: immer in den von der örtlichen Göttin der Fruchtbarkeit erzeugten.

    Nur bei der elektrischen Information machen wir eine Ausnahme: die muß ja nun wirklich nicht aus der Dorfmitte kommen. Aber das hatte José Bové ja wohl auch nicht gemeint, als er den US-Bratklops rammte.

    Jochen Hoff hat uns hierher geführt. Wir werden gerne wieder reinschauen.

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