.im supermarkt…

ERSTER TEIL

„Aus den Erlebnissen eines Tagebuchreisenden – 2“

ledertagebuch

…Während ich vor dem Regal mit den reduzierten Diät-Schokoriegeln stehe, kommt mir der Gedanke, dass wenn einmal Außerirdische auf die Erde kommen und mich fragen würden, wo sie etwas über den Menschen lernen könnten, dann würde ich sie in den Supermarkt schicken. Nirgendwo sonst ist der Mensch offener und lesbar wie ein Buch, es sei denn er ist betrunken.
Im Supermarkt verbirgt sich die Verwandlung des Menschens, vom Vernunftsmensch zum Jäger und Sammler. Im Supermarkt kann jeder sehen, welche menschliche Wahrheit sich zwischen Nudeln und Tütensuppen verbirgt.
Auf dem Wühltisch liegen Bücher. Eins davon verspricht „Glück – Wege um ein glücklicher Mensch zu werden“. Es kostet 4,99€. Irgendwo zwischen Kochbuch und Heimwerkeranleitungen muss also das Glück liegen, neben Unterhosen und Wäscheklammern, zum Preis einer 0,7l Flasche Wodka.
Ein Mann nimmt einen (ein wenig verwelkten) Blumenstrauß aus dem Korb vor der Kasse.
„Den bringen wir der Mama mit“, sagt er zu seinem Sohn. Ich würde dem Mann gerne danke sagen, aber er würde es nicht verstehen. Vielleicht bin ich auch zu sentimental, vielleicht aber könnte ich ihr auch einen Blumenstrauß mitbringen, würde sie das verstehen?
Wenn ich irgendwann einmal durchdrehen sollte, dann wäre das im Supermarkt. Jede verdammte noch so unwichtige Erbsendose steht hier in Reih und Glied, die Äpfel liegen grün und glänzend in ihrer Kiste und scheinen mich anzugrinsen, jeder sieht gleich aus. Es ist das Gefühl, ein Weinglas in der Hand zu halten und zudrücken zu wollen. Ich würde den Äpfeln ihre grinsende Fresse einschlagen und die militärische Formation der Erbsendosen durch einige Wassermelonen-Handgranaten auflösen. „Die Erbsen hätten mich provoziert“, würde ich dem Haftrichter sagen und es wäre nicht einmal gelogen…

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